Vorgelegter Leitantrag der 6.Bundesdelegierenkonferenz der sozialistischen Jugend ['solid] vom 11. bis 13.März 2005 in Frankfurt/M.
Diskussionen über den Leitantrag können hier geführt werden.
Gegen den Strom! Aufmucken gegen rechte Zustände!
Für eine junge, radikale Offensive von Links!
"…und keiner schnallt, was in diesem Land passiert.
Lang genug war ich schockiert, jetzt bin motiviert.
Nimm meine Hand, ich helfe dir aus dem Treibsand,
denn in diesem unserem Land ist es Zeit für den Widerstand!"
(Such a Surge)
Sie reden und diskutieren. Sie beklagen die „eingeschlafene Verfassheit der Gesellschaft“, dass Deutschland überall Schlusslicht sei und der Rubel in keinster Weise rolle. Sie übertrumpfen sich gegenseitig in ihrem Willen,“uns“ wieder nach oben zu bringen. Diese Grossunternehmer und deren Lobbiyisten, ja selbst machne Gewerkschaftsfunktionäre halten sich für die Auserwählten, die sich zum Brainstorming bei Sabine Christiansen treffen um unsere Gesellschaft zu modernisieren.
Der Sozialstaat, die "kurzen" Arbeitszeiten und hohen Löhne seien nicht mehr haltbar, Steuern und sonstige Lasten für die Konzerne zu groß, die Reformbereitschaft der Menschen zu klein, die Zahl der Arbeitslosen zu hoch, die Zahl der Eingestellten manchmal auch, die Gewinne noch zu niedrig, der Staat nicht fit und schlank sondern zu dick, und selbst diejenigen, die schon am wenigsten haben, bekämen immer noch zu viel. Ein Arbeitslosengeld II-Empfänger soll von 331 € im Monat überleben, dem Deutsche-Bank-Manager Ackermann stehen für den selben Zeitraum mehr als 900.000 € zur Verfügung. Aus solchen Zuständen entstehen Unmut, Wut und Zorn.
Doch die Herrschenden haben einen Plan, wie sie diese Stimmung abfedern können: den Patriotimus. Sie betonen, wie wir doch zusammengehören. Schließlich sind wir ein Volk, eine Nation.
Ja, es geht uns um den ideologischen Rahmen der neoliberalen Modernisierer - den Zustand der "normalisierten" deutschen Gesellschaft, nach ihrem Austritt aus der postfaschistischen Nachkriegs-Ära, den sie sich so als Verdienst anrechnen.
Entpolitisierung der Vergangenheit - Nationalisierung der Gegenwart
Nachdem die heutige Gesellschaft mit Ausnahme des Neoliberalismus entideologisiert wurde und ihr Politikgehalt Vakuumniveau erreicht hat, ist jetzt die Geschichte dran. Der Film "Der Untergang" avancierte zum Kassenschlager und macht Adolf Hitler zur einsamen und tragischen Figur, während für das bis zur letzten Stunde treue deutsche Volk der Opfergang noch nicht beendet ist. Betont wird heutzutage zuallererst die passive Rolle der Bevölkerung als Leidtragende von Bombenkrieg und Vertreibung. Gänzlich aus der Betrachtung fallen die Hintermänner und Finanziers des Faschismus an der Staatsmacht, der menschenverachtenden Klassenherrschaft eines Teils des Großkapitals, deren Profiteure häufig, wie etwa im Fall der Deutschen Bank, immer noch zu den mächtigsten gesellschaftlichen Akteuren zählen. Übrig bleibt ein vielstimmig beschworener Kanon von Formeln und Sprechblasen für Broschüren und Sonntagsreden.
Außenpolitisch haben die Super-Reformer Deutschland wieder auf Kurs gebracht. Militärminister Struck sagt, er und seine Truppen verteidigten am Hindukusch Deutschland. Und weil es deswegen ja gar nicht um die Erschließung und Sicherung von Exportmärkten oder gar Profiten der deutschen Exportwirtschaft gehen kann, sollen Deutsche-Bank-Chef Ackermann und der ALG II-Empfänger zusammenstehen. Gegen den äußeren Feind, in diesem Fall den islamischen Terrorismus. Den wiederum - so sagt nicht nur die Springer-Presse - sollten wir vorsichtshalber gleich in jedem zugewanderten Menschen vermuten. Deswegen werden Zuwanderungsgesetze verschärft, Asylbewerber bald schon in Nordafrika abgewehrt und Bürgerrechte sowieso eingeschränkt.
Nachdem mit großem Medienhype Deutschlands Superstar gefunden wurde, selbst Gregor Gysi und ['solid] nicht die Wahl des 1. Bundeskanzlers und Dienstleisters für deutsche Kontinuitäten, Konrad Adenauer, zu "unserem Besten" verhindern konnten, sucht Deutschland nun den Super-Patrioten. Und wo es die 1968er-Bewegung noch mit einem Bundespräsidenten zu tun hatte, der bekannte, nicht den Staat, sondern seine Frau zu lieben, stellt Horst Köhler freiherzig die Liebe zu seinem Land in den Mittelpunkt seiner ersten Rede.
Ihre Albernheit bemerken die Super-Reformer nicht, warum auch, blasen doch die vordersten Vertreter sowie die breite Mehrheit von Interessensverbänden, Journaille, Kunst, Kultur und Sport zuhauf ins selbe Horn. Der Deutsche Bundestag und die Feuilletons der Zeitschriften diskutieren über Radioquoten für deutsche Musik, während derweil ein putziges Krokodil namens Schnappi mit einem politischen Soundtrack für´s reformierte Deutschland die Charts stürmt: "Zuerst lag ich in einem Ei, dann schni-schna-schnappte ich mich frei." ;-)
Ja, es stimmt wohl. "Deutschland bewegt sich", wie die Bundesregierung millionenteuer plakatieren ließ. Bloß in die falsche Richtung und dann auch noch auf der Überholspur. Die Aufregung über die Wiederkehr der Nazis in die Landtage muss da schon verwundern. "Vaterlands-, Heimatliebe", so definiert Meyers großes Taschenlexikon den Patriotismus-Begriff. Und warnt zugleich: "Die Wirkung des Patriotismus reicht von sozialer und politischer Integration in Notzeiten bis zur nationalen Überheblichkeit (Chauvinismus, Nationalismus), die irrationale Freund-Feind-Verhältnisse züchten kann".
Autoritarismus und Rassismus in der Mitte als Support für die neofaschistische Rechte
„Der böse Mann mit dem kleinen Bart
ist noch gar nicht tot!
Und um euch vor ihm zu warnen,
sing ich ihm dieses Ständchen! Attention!“
(Jan Delay)
Die Nazis sind wieder da, obwohl sie eigentlich nie weg waren. Aber nur wenn es einen besonders Aufsehen erregenden Anschlag oder auffällige Wahlergebnisse gibt, lassen sie sich in der Medien-Öffentlichkeit auch nicht mehr wegreden. Nährböden finden sich in der gesamtgesellschaftlichen Rechtsentwicklung und in rassistischen Mainstream-Thesen, die soziale Ausgrenzung begründen, ebenso, wie in der realen Verschärfung der Repression insbesondere gegenüber Migrantinnen, Migranten und Bürgerkriegsflüchtlingen seit der faktischen Aushebelung des Rechts auf Asyl 1993. Auf der Suche nach Erwerbsarbeit sind sie neuerdings nochmals von verschärften Gesetzesnachteilen und staatlichem Rassismus betroffen, was völlig aus der medialen Wahrnehmung herausfällt.
Oftmals führen Rechtsextremisten offensichtlich und militant aus, was die Stammtische fordern und das Gedankengut vieler prägt: Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien von Innenminister Schily bis zu den CDU/CSU-Granden Merkel, Beckstein und Co., die die Einrichtung von "Flüchtlings-Auffanglagern" in der Nordsahara fordern, mit antiislamischen und antitürkischen Stimmungen Verschärfungen der Sicherheitsgesetze begründen, Wahlkämpfe bestreiten und das Bild vom "parasitären Ausländer" schaffen, offenbaren, wie weit rassistisches oder ausländerfeindliches Gedankengut in der Gesellschaft verbreitet ist.
Der Wahlerfolg der neofaschistischen NPD in Sachsen und ihr provokatives, Öffentlichkeit schaffendes Agieren bringen nun aber auch ans Licht, dass ihre gesellschaftliche Verankerung viel tiefer ist, als man durch die mediale Abstempelung zur "Protest-Eintagsfliege" bislang Glauben machen wollte. Die Neofaschisten sind dem Wandel des kulturellen und politischen Klimas durch strategische Neuorientierungen begegnet.
Die neue alte Rechte
NPD und DVU zogen mit mehr als neun bzw. sechs Prozent in die Landtage von Sachsen und Brandenburg ein und beschwören künftig mit einer "Volksfront von Rechts" mit Bündnissen und Wahlabsprachen auch bei anderen Landtags-, Bundes- und Europawahlen auftrumpfen zu wollen. Reine Ideologie ist einem faschistischen Pragmatismus gewichen, mit dem sie vielerorts zunächst mehr oder weniger verschleiert bei eigens initiierten, kommunal engagierten Bürgerinitiativen in Erscheinung treten.
Sie präsentieren sich als gutbürgerliche Spießer und vermitteln das Gefühl gegen die aktuellen Zustände aufzubegehren. Und es ist längst nicht mehr nur „der Osten“, wo die Probleme mit jungen und alten Nazis zunehmen. Es handelt sich nicht nur um einen Versuch, milieuübergreifend eine neue Rechte zu etablieren.
Jugendliche und junge Menschen spielen als Zielgruppe eine übergeordnete Rolle. Vor allem in einigen strukturschwachen Gebieten, wo häufig ein besonderer Mangel an Freizeit- und Entfaltungsmöglichkeiten besteht, das direkte Umfeld somit erster und oft einziger Anlaufpunkt bleibt, ist es den Nazis gelungen sich ins „gemachte Nest“ zu setzen. Mit Kultur- und Erlebnisangeboten haben sie eine kulturelle Hegemonie erringen können, mit der sie nicht nur eine wachsende Zahl an Jugendlichen in ihre Strukturen einbinden, sondern auch ein weit größeres Umfeld im Sinne ihrer Ideologie beeinflussen können.
Die neofaschistische Rechte hat dabei auch Merkmale der linken und alternativen Jugendkultur aufgegriffen und mit eigenen politischen Zielen vermengt. "Rechts sein" gilt als "in" und wird als Auflehnung gegen den bürgerlichen Staat und seine Normen, als Provokation und Aufbegehren verstanden. Ein Beispiel für ein groß angelegtes rechtes Propagandamittel ist die "Aktion Schulhof". Im Rahmen dieser Offensive haben Neonazis geplant, bis zu 250.000 Musik-CDs an Schulen zu verteilen.
"Aufstand der Anständigen" und Parteienverbot sind keine Lösung!
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Heute würde Heinrich Heine auch mit den neuesten Schlafmitteln nicht zur Ruhe kommen. Die Ausbreitung der Nazis wollen die Super-Reformer aber auch nicht. Zur Bewältigung des unerklärlich Bösen gab oder gibt es in fast allen Religionen den Exorzismus: Zauberer, Medizinmänner und Priester versuchen, mit magischen Handlungen böse Mächte zu vertreiben. Da wird gebetet, getanzt, gesalbt, gewaschen, die Hand aufgelegt - oder einfach gelärmt, um so den Dämon zu bannen.
Alle paar Jahre wenn das Thema "Rechtsextremismus" die Öffentlichkeit besonders beherrscht, findet hierzulande eine Art politischer Exorzismus statt. Die Handlungen, die zu diesem Zweck vollzogen werden, reichen von gegenseitigen Schuldzuweisungen der großen Volksparteien, der Gleichsetzung von Nazis mit Linken und der PDS durch die CDU/CSU bis hin zum Verbotsantrag.
Plötzlich fließt wieder mehr Geld in Präventionsmaßnahmen und zivilgesellschaftliches Engagement getreu dem „Aufstand der Anständigen“ gegen Gewalt von Rechts kommt in Mode. Für Schröder und Schily, insbesondere aber die CDU/CSU war und ist der "Aufstands der Anständigen" jedoch kein Aufstand gegen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus, sondern zuallererst ein Aufstand gegen "Extremismus und Gewalt". Die Begrifflichkeiten sind entsprechend eindeutig: Nicht den Neofaschismus und seine Wurzeln in der Mitte der Gesellschaft wollen sie bekämpfen, vielmehr zielen sie darauf, den Rechts- und Linksextremismus, die "extremistischen Ränder" der Gesellschaft auszumachen und mit repressiver Politik zu bekämpfen. Von diesen dunklen Randmächten hebt sich leuchtend hell die "demokratische Mitte" ab, ohne in den Verdacht zu kommen, selbst mitverantwortlich zu sein für Rassismus, Antisemitismus und ein sozialdarwinistisches Menschen- und Gesellschaftsbild.
Daher hilft auch heute kein regierungsamtlich und medial verordneter "Sommerloch-Aufstand" wie Mitte Anno 2000. In Folge dessen beantragten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat im Frühjahr 2001 das Verbot der NPD und erlebten dabei eine totale Bruchlandung, weil die staatlichen Geheim- und Spitzeldienste einen erheblichen Einfluss auf die Führungs- und Kaderriege der Partei haben. Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Verbotsantrag dementsprechend ab.
Es bleibt eine Illusion, dass sich Rassismus und Neofaschismus per Verbot einer politischen Partei wirksam bekämpfen lassen, solange man sich einer Analyse der Ursachen verweigert. Ein Parteienverbot entzieht denn Nazis finanzielle Mittel und juristische Privilegien – nicht mehr und nicht weniger.
Auch Erinnerung ist Widerstand!
"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."
(Schwur von Buchenwald)
Wir werden die millionenfache Vernichtung, Tod und Vertreibung, die die barbarische Herrschaft des Faschismus über Europa gebracht hat, niemals vergessen. Der Schwur, den vor 60 Jahren die dem Grauen des Konzentrationslagers Buchenwald entkommenen Häftlinge leisteten, ist noch heute Leitlinie des Handelns von Millionen Antifaschisten. Für uns bedeutet es Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und jedem Ansatz von faschistischem bzw. neonazistischem Gedankengut entschlossen und offensiv entgegenzutreten - wo und in welcher Form sie uns auch begegnen mögen.
Die Existenz neofaschistischer Parteien und Aufmärsche brauner Kameradschaften sind für uns keine Anzeichen einer starken Demokratie, sie stellen eine ständige Bedrohung der Freiheit und Einschüchterung Andersdenkender dar. Daher nutzen wir alle gewaltfreien Formen des Widerstandes, einschließlich des zivilen Ungehorsams, um die Verbreitung faschistischer Propaganda an unseren Schulen, auf unseren Straßen, und überall dort, wo gesellschaftliches Leben stattfindet, zu stören und zu verhindern.
Wir fordern die Aufnahme einer antifaschistischen Klausel ins Grundgesetz und in eine künftige europäische Verfassung, als deutliches gesellschaftliches Bekenntnis gegen rechtsextreme Bestrebungen. Doch wir bekämpfen auch die Quellen, aus denen sich der Hass speist, der rechter Gewalt zugrunde liegt. Wann immer die bürgerlichen Parteien aus wahltaktischen Gründen auf Stammtischparolen zurückgreifen und mit ausländerfeindlichen Ressentiments spielen, werden wir dem aufs Schärfste entgegentreten.
Für eine linke Jugendkultur - den Kampf um die Hegemonie führen!
Wir dürfen nicht bei der Bekämpfung bestehender Nazi-Strukturen stehen bleiben, sondern müssen die Auseinandersetzung mit rechter Ideologie und Politik auf allen Ebenen suchen. Als linker, sozialistischer und antifaschistischer Jugendverband bedeutet dies für uns auch den Kampf um die Hegemonie in Jugendkulturen zu führen. Insbesondere in der Jugendphase werden die Ansichten, Werte und Vorstellungen gefestigt, die Menschen über lange Zeit prägen, fortan meist nur noch schwer und in Grenzen veränderbar sind. Das, was die Fachleute Sozialisation nennen, geschieht aber nicht primär durch das Verlesen ideologischer Traktate, sondern über ein soziales und kulturelles Umfeld. Hier zählt, wer mit wem worüber spricht, wer Erlebnisse und Hilfe anbietet, welche Erfahrungen gemacht und wie verarbeitet werden. Und das spielt sich bei Jugendlichen eben in der Schule, auf der Straße, in der Clique ab. Rechte Einstellungen und Verhaltensweisen müssen durch eine demokratische, integrierende und solidarische Jugendkultur verdrängt werden. Wir wollen attraktive kulturelle Angebote und Möglichkeiten schaffen, die wir mit linken, antifaschistischen Inhalten verbinden, ohne Kultur zum Mittel der politischen Agitation zu reduzieren.
Wir fordern ein Ende der Verunglimpfung und Kriminalisierung antifaschistischer Jugendgruppen. Wer eine andere Jugendkultur will, muss ihre Akteure unterstützen. Noch heute werden Antifaschisten mit Berufsverboten belegt, weil man Gesellschaftskritik nicht zu ertragen bereit ist. Wer demokratische Jugendkultur will, muss aufhören alternative und linke Jugendliche mit spießigem Fingerzeig und Auflagen zu nerven, sondern ihnen Orte und Räume zur Selbstverwirklichung lassen.
Dort wo keinerlei Infrastruktur für Freizeitaktivitäten jenseits von Tank- und Bushaltestellen existiert, gilt es diese überhaupt erst wieder durchzusetzen. Dazu brauchen engagierte Jugendliche Unterstützung und Mitstreiter, Perspektiven und Initialzündungen - auch das sind Ziele des von uns initiierten Polit-Kulturprojekts "Aufmucken gegen Rechts".
Doch solches Engagement Jugendlicher braucht den Rückhalt der Gesellschaft, denn eine demokratische Jugendkultur kann nicht zwischen McDonalds und RTL II entstehen - sie benötigt Freiräume. Diese zu verteidigen und auszubauen, sind Ziele, für die es sich zu kämpfen lohnt.
Ein Ausbruch aus den Zwängen, mit der Revolte aus unseren Herzen!
Ihr seid Lehrer und Beamte
Seid Gelehrte sogenannte
Ihr schreibt Bücher, seid im Fernsehen
Und ihr glaubt, dass wir euch gernsehen
(Slime: Linke Spießer)
Die Herrschenden gestehen uns nicht den Raum zu, uns zu entfalten, Kultur zu entdecken und selbst zu schaffen, Werte wie Toleranz und Solidarität zu entdecken und leben: Von frühester Kindheit an steht jeder und jede einzelne im Fokus gesellschaftlicher Zwänge - Verschnaufpausen gibt es nicht. Die Integration in die Normenwelt und in die Umgangsformen der herrschenden Ideologie setzt an. In die Köpfe junger Menschen hämmert die bürgerliche Gesellschaft ihre Ideale in Form von Bildern ausgeprägter Hierarchie, von Klischees, Vorurteilen und Ellenbogendenken.
Bürgerliche Marktforschung erforscht den Jugendlichen, seine meist durch die Gesellschaft vorgedachten Leitbilder, seine Wünsche und Träume. Die Forschungsergebnisse über Jugend werden optimal verwertet: Mit raffiniertesten Werbetechniken, durch das Spiel mit Lüsten und Verlangen dringt der Kommerzialisierungswahn in alle Bereiche jugendlichen Lebens vor, in denen er einen potentiellen Markt wittert.
Es sind die Werte Karriere und Familie, welche das Normengefüge vieler junger Leute heute bestimmen. Dabei macht sich gerade im Osten Deutschlands, angesichts des schwierigen Unterfangens beides zu vereinen, Perspektivlosigkeit breit. Nicht einmal die Verwirklichung des kleinstmöglichen Pragmatismus, und sei er noch so konservativer Natur, ist durch das herrschende System zu haben.
Wir aber wollen die ganze Welt. Wir wollen frei sein, unser Leben so zu leben, wie wir es wollen, wir wollen Kultur und Bildung zum Nulltarif und ohne Verwertbarkeitszwang. Dabei kämpfen wir oftmals nur um das, was die Erklärung der Menschenrechte seit über 50 Jahren postuliert: Die Unantastbarkeit unserer Würde.
Grundeinkommen für alle!
Erst, wenn das soziale Existenzminimum, das nicht nur das Über-, sondern das menschenwürdige Leben und die soziokulturelle Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen ermöglicht, für jede und jeden bedingungslos gesichert ist, ist die materielle Basis für eine allgemeine Garantie der Menschenwürde gegeben.
Die steigenden Produktivitätsfortschritte der modernen Industrieunternehmen machen es möglich, dass die Wirtschaft funktioniert, obwohl ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung keine Erwerbsarbeit ausübt. In der kapitalistischen Logik führt das zu Massenarbeitslosigkeit mit all ihren Folgen: Zwang zur Arbeit um jeden Preis bis zum "1-Euro-Job", sinkendes Lohnniveau, Schwächung der Gewerkschaften und so weiter.
Wenn wir statt dessen jedem Menschen als Individuum, allein begründet durch seine Existenz, ohne Arbeitszwang, Bedürftigkeitsprüfung oder Anrechnung von "Bedarfsgemeinschaften", ein Grundeinkommen monatlich garantieren, ersparen wir uns nicht nur Hartz-Gesetze, ALG II, BAFöG und die damit verbundenen Bürokratieberge - wir versetzen auch jede und jeden Einzelnen in die Lage, sich Bildung nach eigenem Gutdünken anzueignen, Kultur ohne Plattenlabel und Lizenzverträge zu schaffen, das Leben zu genießen und sich gesellschaftlich zu engagieren.
Bei den in unserer Gesellschaft vorhanden immensen Reichtümern ist die Finanzierbarkeit nur eine Frage des politischen Willens - und vor der Auseinandersetzung mit der protestantischen Erwerbsethik schrecken wir nicht zurück.
Doch weil wir auf dem langen Weg zu einem gesellschaftlichen Paradigmenwechsel nicht verdursten wollen, haben wir noch andere Forderungen, die wir auf so kleine Schritte herunter brechen können, dass auch der konservativste CDU-Gemeinderat Schwierigkeiten haben wird, sich der Einsicht in ihre Richtigkeit zu widersetzen:
Raum für Jugendkultur!
Raum für Jugend ist rar gesät – ganz gleich ob im Dorf oder der Stadt. Wir finden uns nicht damit ab, dass man uns die Bushaltestelle als Treffpunkt lässt. Jugend braucht Raum, das heißt auch in der Freizeit ein Dach über dem Kopf und vor allem die Möglichkeit eigene Interessen und Hobbys selbstbestimmt mit anderen verwirklichen zu können. Skater, Biker oder BMXer brauchen angemessene Plätze für ihr Hobby. Wir brauchen weder Aufregung über Sprayer noch schärfere Gesetze, sondern legale Sprühflächen. Finanzielle Unterstützung gibt’s oft nur für Sportvereine und große Verbände mit bezahlten Berufsjugendlichen - ungebundene Jugendliche erreicht das lägst nicht. Auch Subkultur-Vereine, Bands, Filmclubs, Antifas und politische Jugendgruppen haben ein Anrecht auf finanzielle Unterstützung. Das belebt das ganze dörfliche und städtische Leben.
Freiräume an den Schulen schaffen!
Die zunehmende Einrichtung von Ganztagsschulen darf keine Ausdehnung des Unterrichts auf den Nachmittag sein - als Schülerinnen und Schüler wollen wir auch an der Schule unseren Interessen nachgehen und Musik, Theater oder Sport ohne Unterrichtssituation und Notendruck erfahren können.
Kostenloser ÖPNV für alle!
Jugend will frei sein. Das setzt Mobilität voraus. Jetzt und heute. Da kann man auch nicht warten bis man 18 ist und den Führerschein hat. Busse und Straßenbahnen sind viel zu teuer und fahren zu selten. Kommunalpolitiker und Verkehrsbetriebe sagen, es lohne sich nicht mehr anzubieten. Wir sagen ihnen: dann schafft die Fahrpreise ab. Das spart Verwaltungs- und Marketingaufwand und nervige Kontrolleure sowieso. Es hilft die Straßen zu leeren, die Umwelt zu schonen, die Stadt zu verschönern. Es erhöht die Sicherheit aller und junge Leute kommen in der Nacht problemlos von der Party nach Hause. Es gibt genügend kommunale Beispiele die zeigen: es funktioniert und es kostet auch nicht mehr als das, was die Städte jetzt schon dazuschießen.
Kein Fußbreit den Faschisten - und erst recht kein Jugendzentrum!
Wo Nazis auf öffentlich geförderte Strukturen zurückgreifen können, haben sie leichtes Spiel beim Ausbau ihrer Hegemonie - wo sie kommunale Jugendzentren dominieren, haben ihre Gegner nicht mehr viel zu feiern. Deshalb fordern wir die Einstellung aller öffentlichen Unterstützung, die rechten Jugendgruppen oder ihrer Betreuung im Sinne der gescheiterten "akzeptierenden Jugendarbeit" dient!
Diskussionen über den Leitantrag können hier geführt werden.
Gegen den Strom! Aufmucken gegen rechte Zustände!
Für eine junge, radikale Offensive von Links!
"…und keiner schnallt, was in diesem Land passiert.
Lang genug war ich schockiert, jetzt bin motiviert.
Nimm meine Hand, ich helfe dir aus dem Treibsand,
denn in diesem unserem Land ist es Zeit für den Widerstand!"
(Such a Surge)
Sie reden und diskutieren. Sie beklagen die „eingeschlafene Verfassheit der Gesellschaft“, dass Deutschland überall Schlusslicht sei und der Rubel in keinster Weise rolle. Sie übertrumpfen sich gegenseitig in ihrem Willen,“uns“ wieder nach oben zu bringen. Diese Grossunternehmer und deren Lobbiyisten, ja selbst machne Gewerkschaftsfunktionäre halten sich für die Auserwählten, die sich zum Brainstorming bei Sabine Christiansen treffen um unsere Gesellschaft zu modernisieren.
Der Sozialstaat, die "kurzen" Arbeitszeiten und hohen Löhne seien nicht mehr haltbar, Steuern und sonstige Lasten für die Konzerne zu groß, die Reformbereitschaft der Menschen zu klein, die Zahl der Arbeitslosen zu hoch, die Zahl der Eingestellten manchmal auch, die Gewinne noch zu niedrig, der Staat nicht fit und schlank sondern zu dick, und selbst diejenigen, die schon am wenigsten haben, bekämen immer noch zu viel. Ein Arbeitslosengeld II-Empfänger soll von 331 € im Monat überleben, dem Deutsche-Bank-Manager Ackermann stehen für den selben Zeitraum mehr als 900.000 € zur Verfügung. Aus solchen Zuständen entstehen Unmut, Wut und Zorn.
Doch die Herrschenden haben einen Plan, wie sie diese Stimmung abfedern können: den Patriotimus. Sie betonen, wie wir doch zusammengehören. Schließlich sind wir ein Volk, eine Nation.
Ja, es geht uns um den ideologischen Rahmen der neoliberalen Modernisierer - den Zustand der "normalisierten" deutschen Gesellschaft, nach ihrem Austritt aus der postfaschistischen Nachkriegs-Ära, den sie sich so als Verdienst anrechnen.
Entpolitisierung der Vergangenheit - Nationalisierung der Gegenwart
Nachdem die heutige Gesellschaft mit Ausnahme des Neoliberalismus entideologisiert wurde und ihr Politikgehalt Vakuumniveau erreicht hat, ist jetzt die Geschichte dran. Der Film "Der Untergang" avancierte zum Kassenschlager und macht Adolf Hitler zur einsamen und tragischen Figur, während für das bis zur letzten Stunde treue deutsche Volk der Opfergang noch nicht beendet ist. Betont wird heutzutage zuallererst die passive Rolle der Bevölkerung als Leidtragende von Bombenkrieg und Vertreibung. Gänzlich aus der Betrachtung fallen die Hintermänner und Finanziers des Faschismus an der Staatsmacht, der menschenverachtenden Klassenherrschaft eines Teils des Großkapitals, deren Profiteure häufig, wie etwa im Fall der Deutschen Bank, immer noch zu den mächtigsten gesellschaftlichen Akteuren zählen. Übrig bleibt ein vielstimmig beschworener Kanon von Formeln und Sprechblasen für Broschüren und Sonntagsreden.
Außenpolitisch haben die Super-Reformer Deutschland wieder auf Kurs gebracht. Militärminister Struck sagt, er und seine Truppen verteidigten am Hindukusch Deutschland. Und weil es deswegen ja gar nicht um die Erschließung und Sicherung von Exportmärkten oder gar Profiten der deutschen Exportwirtschaft gehen kann, sollen Deutsche-Bank-Chef Ackermann und der ALG II-Empfänger zusammenstehen. Gegen den äußeren Feind, in diesem Fall den islamischen Terrorismus. Den wiederum - so sagt nicht nur die Springer-Presse - sollten wir vorsichtshalber gleich in jedem zugewanderten Menschen vermuten. Deswegen werden Zuwanderungsgesetze verschärft, Asylbewerber bald schon in Nordafrika abgewehrt und Bürgerrechte sowieso eingeschränkt.
Nachdem mit großem Medienhype Deutschlands Superstar gefunden wurde, selbst Gregor Gysi und ['solid] nicht die Wahl des 1. Bundeskanzlers und Dienstleisters für deutsche Kontinuitäten, Konrad Adenauer, zu "unserem Besten" verhindern konnten, sucht Deutschland nun den Super-Patrioten. Und wo es die 1968er-Bewegung noch mit einem Bundespräsidenten zu tun hatte, der bekannte, nicht den Staat, sondern seine Frau zu lieben, stellt Horst Köhler freiherzig die Liebe zu seinem Land in den Mittelpunkt seiner ersten Rede.
Ihre Albernheit bemerken die Super-Reformer nicht, warum auch, blasen doch die vordersten Vertreter sowie die breite Mehrheit von Interessensverbänden, Journaille, Kunst, Kultur und Sport zuhauf ins selbe Horn. Der Deutsche Bundestag und die Feuilletons der Zeitschriften diskutieren über Radioquoten für deutsche Musik, während derweil ein putziges Krokodil namens Schnappi mit einem politischen Soundtrack für´s reformierte Deutschland die Charts stürmt: "Zuerst lag ich in einem Ei, dann schni-schna-schnappte ich mich frei." ;-)
Ja, es stimmt wohl. "Deutschland bewegt sich", wie die Bundesregierung millionenteuer plakatieren ließ. Bloß in die falsche Richtung und dann auch noch auf der Überholspur. Die Aufregung über die Wiederkehr der Nazis in die Landtage muss da schon verwundern. "Vaterlands-, Heimatliebe", so definiert Meyers großes Taschenlexikon den Patriotismus-Begriff. Und warnt zugleich: "Die Wirkung des Patriotismus reicht von sozialer und politischer Integration in Notzeiten bis zur nationalen Überheblichkeit (Chauvinismus, Nationalismus), die irrationale Freund-Feind-Verhältnisse züchten kann".
Autoritarismus und Rassismus in der Mitte als Support für die neofaschistische Rechte
„Der böse Mann mit dem kleinen Bart
ist noch gar nicht tot!
Und um euch vor ihm zu warnen,
sing ich ihm dieses Ständchen! Attention!“
(Jan Delay)
Die Nazis sind wieder da, obwohl sie eigentlich nie weg waren. Aber nur wenn es einen besonders Aufsehen erregenden Anschlag oder auffällige Wahlergebnisse gibt, lassen sie sich in der Medien-Öffentlichkeit auch nicht mehr wegreden. Nährböden finden sich in der gesamtgesellschaftlichen Rechtsentwicklung und in rassistischen Mainstream-Thesen, die soziale Ausgrenzung begründen, ebenso, wie in der realen Verschärfung der Repression insbesondere gegenüber Migrantinnen, Migranten und Bürgerkriegsflüchtlingen seit der faktischen Aushebelung des Rechts auf Asyl 1993. Auf der Suche nach Erwerbsarbeit sind sie neuerdings nochmals von verschärften Gesetzesnachteilen und staatlichem Rassismus betroffen, was völlig aus der medialen Wahrnehmung herausfällt.
Oftmals führen Rechtsextremisten offensichtlich und militant aus, was die Stammtische fordern und das Gedankengut vieler prägt: Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien von Innenminister Schily bis zu den CDU/CSU-Granden Merkel, Beckstein und Co., die die Einrichtung von "Flüchtlings-Auffanglagern" in der Nordsahara fordern, mit antiislamischen und antitürkischen Stimmungen Verschärfungen der Sicherheitsgesetze begründen, Wahlkämpfe bestreiten und das Bild vom "parasitären Ausländer" schaffen, offenbaren, wie weit rassistisches oder ausländerfeindliches Gedankengut in der Gesellschaft verbreitet ist.
Der Wahlerfolg der neofaschistischen NPD in Sachsen und ihr provokatives, Öffentlichkeit schaffendes Agieren bringen nun aber auch ans Licht, dass ihre gesellschaftliche Verankerung viel tiefer ist, als man durch die mediale Abstempelung zur "Protest-Eintagsfliege" bislang Glauben machen wollte. Die Neofaschisten sind dem Wandel des kulturellen und politischen Klimas durch strategische Neuorientierungen begegnet.
Die neue alte Rechte
NPD und DVU zogen mit mehr als neun bzw. sechs Prozent in die Landtage von Sachsen und Brandenburg ein und beschwören künftig mit einer "Volksfront von Rechts" mit Bündnissen und Wahlabsprachen auch bei anderen Landtags-, Bundes- und Europawahlen auftrumpfen zu wollen. Reine Ideologie ist einem faschistischen Pragmatismus gewichen, mit dem sie vielerorts zunächst mehr oder weniger verschleiert bei eigens initiierten, kommunal engagierten Bürgerinitiativen in Erscheinung treten.
Sie präsentieren sich als gutbürgerliche Spießer und vermitteln das Gefühl gegen die aktuellen Zustände aufzubegehren. Und es ist längst nicht mehr nur „der Osten“, wo die Probleme mit jungen und alten Nazis zunehmen. Es handelt sich nicht nur um einen Versuch, milieuübergreifend eine neue Rechte zu etablieren.
Jugendliche und junge Menschen spielen als Zielgruppe eine übergeordnete Rolle. Vor allem in einigen strukturschwachen Gebieten, wo häufig ein besonderer Mangel an Freizeit- und Entfaltungsmöglichkeiten besteht, das direkte Umfeld somit erster und oft einziger Anlaufpunkt bleibt, ist es den Nazis gelungen sich ins „gemachte Nest“ zu setzen. Mit Kultur- und Erlebnisangeboten haben sie eine kulturelle Hegemonie erringen können, mit der sie nicht nur eine wachsende Zahl an Jugendlichen in ihre Strukturen einbinden, sondern auch ein weit größeres Umfeld im Sinne ihrer Ideologie beeinflussen können.
Die neofaschistische Rechte hat dabei auch Merkmale der linken und alternativen Jugendkultur aufgegriffen und mit eigenen politischen Zielen vermengt. "Rechts sein" gilt als "in" und wird als Auflehnung gegen den bürgerlichen Staat und seine Normen, als Provokation und Aufbegehren verstanden. Ein Beispiel für ein groß angelegtes rechtes Propagandamittel ist die "Aktion Schulhof". Im Rahmen dieser Offensive haben Neonazis geplant, bis zu 250.000 Musik-CDs an Schulen zu verteilen.
"Aufstand der Anständigen" und Parteienverbot sind keine Lösung!
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Heute würde Heinrich Heine auch mit den neuesten Schlafmitteln nicht zur Ruhe kommen. Die Ausbreitung der Nazis wollen die Super-Reformer aber auch nicht. Zur Bewältigung des unerklärlich Bösen gab oder gibt es in fast allen Religionen den Exorzismus: Zauberer, Medizinmänner und Priester versuchen, mit magischen Handlungen böse Mächte zu vertreiben. Da wird gebetet, getanzt, gesalbt, gewaschen, die Hand aufgelegt - oder einfach gelärmt, um so den Dämon zu bannen.
Alle paar Jahre wenn das Thema "Rechtsextremismus" die Öffentlichkeit besonders beherrscht, findet hierzulande eine Art politischer Exorzismus statt. Die Handlungen, die zu diesem Zweck vollzogen werden, reichen von gegenseitigen Schuldzuweisungen der großen Volksparteien, der Gleichsetzung von Nazis mit Linken und der PDS durch die CDU/CSU bis hin zum Verbotsantrag.
Plötzlich fließt wieder mehr Geld in Präventionsmaßnahmen und zivilgesellschaftliches Engagement getreu dem „Aufstand der Anständigen“ gegen Gewalt von Rechts kommt in Mode. Für Schröder und Schily, insbesondere aber die CDU/CSU war und ist der "Aufstands der Anständigen" jedoch kein Aufstand gegen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus, sondern zuallererst ein Aufstand gegen "Extremismus und Gewalt". Die Begrifflichkeiten sind entsprechend eindeutig: Nicht den Neofaschismus und seine Wurzeln in der Mitte der Gesellschaft wollen sie bekämpfen, vielmehr zielen sie darauf, den Rechts- und Linksextremismus, die "extremistischen Ränder" der Gesellschaft auszumachen und mit repressiver Politik zu bekämpfen. Von diesen dunklen Randmächten hebt sich leuchtend hell die "demokratische Mitte" ab, ohne in den Verdacht zu kommen, selbst mitverantwortlich zu sein für Rassismus, Antisemitismus und ein sozialdarwinistisches Menschen- und Gesellschaftsbild.
Daher hilft auch heute kein regierungsamtlich und medial verordneter "Sommerloch-Aufstand" wie Mitte Anno 2000. In Folge dessen beantragten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat im Frühjahr 2001 das Verbot der NPD und erlebten dabei eine totale Bruchlandung, weil die staatlichen Geheim- und Spitzeldienste einen erheblichen Einfluss auf die Führungs- und Kaderriege der Partei haben. Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Verbotsantrag dementsprechend ab.
Es bleibt eine Illusion, dass sich Rassismus und Neofaschismus per Verbot einer politischen Partei wirksam bekämpfen lassen, solange man sich einer Analyse der Ursachen verweigert. Ein Parteienverbot entzieht denn Nazis finanzielle Mittel und juristische Privilegien – nicht mehr und nicht weniger.
Auch Erinnerung ist Widerstand!
"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."
(Schwur von Buchenwald)
Wir werden die millionenfache Vernichtung, Tod und Vertreibung, die die barbarische Herrschaft des Faschismus über Europa gebracht hat, niemals vergessen. Der Schwur, den vor 60 Jahren die dem Grauen des Konzentrationslagers Buchenwald entkommenen Häftlinge leisteten, ist noch heute Leitlinie des Handelns von Millionen Antifaschisten. Für uns bedeutet es Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und jedem Ansatz von faschistischem bzw. neonazistischem Gedankengut entschlossen und offensiv entgegenzutreten - wo und in welcher Form sie uns auch begegnen mögen.
Die Existenz neofaschistischer Parteien und Aufmärsche brauner Kameradschaften sind für uns keine Anzeichen einer starken Demokratie, sie stellen eine ständige Bedrohung der Freiheit und Einschüchterung Andersdenkender dar. Daher nutzen wir alle gewaltfreien Formen des Widerstandes, einschließlich des zivilen Ungehorsams, um die Verbreitung faschistischer Propaganda an unseren Schulen, auf unseren Straßen, und überall dort, wo gesellschaftliches Leben stattfindet, zu stören und zu verhindern.
Wir fordern die Aufnahme einer antifaschistischen Klausel ins Grundgesetz und in eine künftige europäische Verfassung, als deutliches gesellschaftliches Bekenntnis gegen rechtsextreme Bestrebungen. Doch wir bekämpfen auch die Quellen, aus denen sich der Hass speist, der rechter Gewalt zugrunde liegt. Wann immer die bürgerlichen Parteien aus wahltaktischen Gründen auf Stammtischparolen zurückgreifen und mit ausländerfeindlichen Ressentiments spielen, werden wir dem aufs Schärfste entgegentreten.
Für eine linke Jugendkultur - den Kampf um die Hegemonie führen!
Wir dürfen nicht bei der Bekämpfung bestehender Nazi-Strukturen stehen bleiben, sondern müssen die Auseinandersetzung mit rechter Ideologie und Politik auf allen Ebenen suchen. Als linker, sozialistischer und antifaschistischer Jugendverband bedeutet dies für uns auch den Kampf um die Hegemonie in Jugendkulturen zu führen. Insbesondere in der Jugendphase werden die Ansichten, Werte und Vorstellungen gefestigt, die Menschen über lange Zeit prägen, fortan meist nur noch schwer und in Grenzen veränderbar sind. Das, was die Fachleute Sozialisation nennen, geschieht aber nicht primär durch das Verlesen ideologischer Traktate, sondern über ein soziales und kulturelles Umfeld. Hier zählt, wer mit wem worüber spricht, wer Erlebnisse und Hilfe anbietet, welche Erfahrungen gemacht und wie verarbeitet werden. Und das spielt sich bei Jugendlichen eben in der Schule, auf der Straße, in der Clique ab. Rechte Einstellungen und Verhaltensweisen müssen durch eine demokratische, integrierende und solidarische Jugendkultur verdrängt werden. Wir wollen attraktive kulturelle Angebote und Möglichkeiten schaffen, die wir mit linken, antifaschistischen Inhalten verbinden, ohne Kultur zum Mittel der politischen Agitation zu reduzieren.
Wir fordern ein Ende der Verunglimpfung und Kriminalisierung antifaschistischer Jugendgruppen. Wer eine andere Jugendkultur will, muss ihre Akteure unterstützen. Noch heute werden Antifaschisten mit Berufsverboten belegt, weil man Gesellschaftskritik nicht zu ertragen bereit ist. Wer demokratische Jugendkultur will, muss aufhören alternative und linke Jugendliche mit spießigem Fingerzeig und Auflagen zu nerven, sondern ihnen Orte und Räume zur Selbstverwirklichung lassen.
Dort wo keinerlei Infrastruktur für Freizeitaktivitäten jenseits von Tank- und Bushaltestellen existiert, gilt es diese überhaupt erst wieder durchzusetzen. Dazu brauchen engagierte Jugendliche Unterstützung und Mitstreiter, Perspektiven und Initialzündungen - auch das sind Ziele des von uns initiierten Polit-Kulturprojekts "Aufmucken gegen Rechts".
Doch solches Engagement Jugendlicher braucht den Rückhalt der Gesellschaft, denn eine demokratische Jugendkultur kann nicht zwischen McDonalds und RTL II entstehen - sie benötigt Freiräume. Diese zu verteidigen und auszubauen, sind Ziele, für die es sich zu kämpfen lohnt.
Ein Ausbruch aus den Zwängen, mit der Revolte aus unseren Herzen!
Ihr seid Lehrer und Beamte
Seid Gelehrte sogenannte
Ihr schreibt Bücher, seid im Fernsehen
Und ihr glaubt, dass wir euch gernsehen
(Slime: Linke Spießer)
Die Herrschenden gestehen uns nicht den Raum zu, uns zu entfalten, Kultur zu entdecken und selbst zu schaffen, Werte wie Toleranz und Solidarität zu entdecken und leben: Von frühester Kindheit an steht jeder und jede einzelne im Fokus gesellschaftlicher Zwänge - Verschnaufpausen gibt es nicht. Die Integration in die Normenwelt und in die Umgangsformen der herrschenden Ideologie setzt an. In die Köpfe junger Menschen hämmert die bürgerliche Gesellschaft ihre Ideale in Form von Bildern ausgeprägter Hierarchie, von Klischees, Vorurteilen und Ellenbogendenken.
Bürgerliche Marktforschung erforscht den Jugendlichen, seine meist durch die Gesellschaft vorgedachten Leitbilder, seine Wünsche und Träume. Die Forschungsergebnisse über Jugend werden optimal verwertet: Mit raffiniertesten Werbetechniken, durch das Spiel mit Lüsten und Verlangen dringt der Kommerzialisierungswahn in alle Bereiche jugendlichen Lebens vor, in denen er einen potentiellen Markt wittert.
Es sind die Werte Karriere und Familie, welche das Normengefüge vieler junger Leute heute bestimmen. Dabei macht sich gerade im Osten Deutschlands, angesichts des schwierigen Unterfangens beides zu vereinen, Perspektivlosigkeit breit. Nicht einmal die Verwirklichung des kleinstmöglichen Pragmatismus, und sei er noch so konservativer Natur, ist durch das herrschende System zu haben.
Wir aber wollen die ganze Welt. Wir wollen frei sein, unser Leben so zu leben, wie wir es wollen, wir wollen Kultur und Bildung zum Nulltarif und ohne Verwertbarkeitszwang. Dabei kämpfen wir oftmals nur um das, was die Erklärung der Menschenrechte seit über 50 Jahren postuliert: Die Unantastbarkeit unserer Würde.
Grundeinkommen für alle!
Erst, wenn das soziale Existenzminimum, das nicht nur das Über-, sondern das menschenwürdige Leben und die soziokulturelle Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen ermöglicht, für jede und jeden bedingungslos gesichert ist, ist die materielle Basis für eine allgemeine Garantie der Menschenwürde gegeben.
Die steigenden Produktivitätsfortschritte der modernen Industrieunternehmen machen es möglich, dass die Wirtschaft funktioniert, obwohl ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung keine Erwerbsarbeit ausübt. In der kapitalistischen Logik führt das zu Massenarbeitslosigkeit mit all ihren Folgen: Zwang zur Arbeit um jeden Preis bis zum "1-Euro-Job", sinkendes Lohnniveau, Schwächung der Gewerkschaften und so weiter.
Wenn wir statt dessen jedem Menschen als Individuum, allein begründet durch seine Existenz, ohne Arbeitszwang, Bedürftigkeitsprüfung oder Anrechnung von "Bedarfsgemeinschaften", ein Grundeinkommen monatlich garantieren, ersparen wir uns nicht nur Hartz-Gesetze, ALG II, BAFöG und die damit verbundenen Bürokratieberge - wir versetzen auch jede und jeden Einzelnen in die Lage, sich Bildung nach eigenem Gutdünken anzueignen, Kultur ohne Plattenlabel und Lizenzverträge zu schaffen, das Leben zu genießen und sich gesellschaftlich zu engagieren.
Bei den in unserer Gesellschaft vorhanden immensen Reichtümern ist die Finanzierbarkeit nur eine Frage des politischen Willens - und vor der Auseinandersetzung mit der protestantischen Erwerbsethik schrecken wir nicht zurück.
Doch weil wir auf dem langen Weg zu einem gesellschaftlichen Paradigmenwechsel nicht verdursten wollen, haben wir noch andere Forderungen, die wir auf so kleine Schritte herunter brechen können, dass auch der konservativste CDU-Gemeinderat Schwierigkeiten haben wird, sich der Einsicht in ihre Richtigkeit zu widersetzen:
Raum für Jugendkultur!
Raum für Jugend ist rar gesät – ganz gleich ob im Dorf oder der Stadt. Wir finden uns nicht damit ab, dass man uns die Bushaltestelle als Treffpunkt lässt. Jugend braucht Raum, das heißt auch in der Freizeit ein Dach über dem Kopf und vor allem die Möglichkeit eigene Interessen und Hobbys selbstbestimmt mit anderen verwirklichen zu können. Skater, Biker oder BMXer brauchen angemessene Plätze für ihr Hobby. Wir brauchen weder Aufregung über Sprayer noch schärfere Gesetze, sondern legale Sprühflächen. Finanzielle Unterstützung gibt’s oft nur für Sportvereine und große Verbände mit bezahlten Berufsjugendlichen - ungebundene Jugendliche erreicht das lägst nicht. Auch Subkultur-Vereine, Bands, Filmclubs, Antifas und politische Jugendgruppen haben ein Anrecht auf finanzielle Unterstützung. Das belebt das ganze dörfliche und städtische Leben.
Freiräume an den Schulen schaffen!
Die zunehmende Einrichtung von Ganztagsschulen darf keine Ausdehnung des Unterrichts auf den Nachmittag sein - als Schülerinnen und Schüler wollen wir auch an der Schule unseren Interessen nachgehen und Musik, Theater oder Sport ohne Unterrichtssituation und Notendruck erfahren können.
Kostenloser ÖPNV für alle!
Jugend will frei sein. Das setzt Mobilität voraus. Jetzt und heute. Da kann man auch nicht warten bis man 18 ist und den Führerschein hat. Busse und Straßenbahnen sind viel zu teuer und fahren zu selten. Kommunalpolitiker und Verkehrsbetriebe sagen, es lohne sich nicht mehr anzubieten. Wir sagen ihnen: dann schafft die Fahrpreise ab. Das spart Verwaltungs- und Marketingaufwand und nervige Kontrolleure sowieso. Es hilft die Straßen zu leeren, die Umwelt zu schonen, die Stadt zu verschönern. Es erhöht die Sicherheit aller und junge Leute kommen in der Nacht problemlos von der Party nach Hause. Es gibt genügend kommunale Beispiele die zeigen: es funktioniert und es kostet auch nicht mehr als das, was die Städte jetzt schon dazuschießen.
Kein Fußbreit den Faschisten - und erst recht kein Jugendzentrum!
Wo Nazis auf öffentlich geförderte Strukturen zurückgreifen können, haben sie leichtes Spiel beim Ausbau ihrer Hegemonie - wo sie kommunale Jugendzentren dominieren, haben ihre Gegner nicht mehr viel zu feiern. Deshalb fordern wir die Einstellung aller öffentlichen Unterstützung, die rechten Jugendgruppen oder ihrer Betreuung im Sinne der gescheiterten "akzeptierenden Jugendarbeit" dient!